… aber kaum einer spricht offen darüber: die frühen Starallüren eines Kindes und das Töpfchen
Zuerst wird das Lieblingsspielzeug auserwählt, dann wird beim Essen gemeckert und bald muss auch die Kleidung bestimmte Vorzüge aufweisen, damit sie überhaupt angezogen wird, ohne dass das ganze Haus vom vehementen Gebrüll des Kindes erfüllt wird. Sätze wie „Ich möchte kein blaues Spielzeug!“, „Ich esse kein grünes Gemüse, nur rotes!“, „ich will nicht auf das Töpfchen!“ oder „Ich will aber keinen gelben Pulli anziehen!“ treffen immer häufiger auf erschöpfte Erwachsenenohren. Besonders im Winter dauert die Auswahl der Kleidung häufig länger, weil die Hose nicht zu den Schuhen passt oder der Pulli kratzt. Hat man endlich die Kleidung gefunden, die das Kind zum Schweigen bringt, geht es an das mühsame Erstellen des bekannten Zwiebellooks. Unterhemd, T-Shirt, Pulli, Schal, Mütze, Jacke, vielleicht sogar noch Handschuhe. Die Beine werden in Strumpfhosen und gefütterte Jeans gepackt, begleitet von dicken Socken und Winterstiefeln zum Schnüren.
„Musst Du noch auf das Töpfen?“
Gerade, wenn man länger unterwegs ist, stellt Mama oder Papa die altbewährte Frage: „Musst du noch mal auf die Toilette, bevor wir gehen?“ Meist wird diese Frage mit einem energischen Kopfschütteln beantwortet. Von dieser Geste breitgeschlagen, packen wir unsere Kinder schliesslich ein. Wir Eltern glauben, das Ganze zügig über die Bühne zu bringen, immerhin wollen wir gleich los. Aber Kinder sind dazu da, um uns Eltern einen Strich durch die Rechnung zu machen, nicht wahr? Kaum wird der Reissverschluss der Jacke zugezogen, kommt der Satz, auf den wir innerlich schon gewartet haben: „Mama, jetzt muss ich doch.“ Seufzend packen wir unser Kind notdürftig wieder aus und setzen es auf das Töpfchen, kontrollieren, ob auch wirklich „was gemacht“ wird und beginnen von Neuem mit der Prozedur.
Mama, ich muss JETZT auf das Töpfchen
Nachdem noch mal schnell etwas getrunken wurde, kann es endlich losgehen. Ist das Kind anfangs noch brav und geduldig, kommt spätestens nach einer halben Stunde Langeweile auf. Gerade bei längeren Autofahrten bemühen wir uns, das Kind dazu zu bringen, sich selbst zu beschäftigen. „Wir sind gleich da. Schau dir doch solange dein neues Bilderbuch an,“ versuchen wir, unser Kind zuversichtlich zu stimmen. Die Freude ist auf beiden Seiten gross, wenn Mama oder Papa die ersehnten Worte ausspricht: „Wir fahren jetzt wieder nach Hause“.
Während der Heimfahrt schielen wir immer wieder heimlich zur Uhr. Nur noch zehn Minuten, dann sind wir endlich da. Fünf Minuten …
„Mama, ich muss schon wieder!“ Panik macht sich breit. Hoffnungsvoll beten wir im Stillen dafür, dass der Autositz – anders als beim letzten Mal – trocken bleibt.
„Halte durch, wir sind gleich da.“
„Ich muss aber jetzt auf das Töpfchen!“
Widerwillig treten wir aufs Gas, um es noch rechtzeitig nach Hause zu schaffen. Mit grosser Freude stellen wir beim Aussteigen fest, dass noch kein Unglück passiert ist und beeilen uns, ins Haus zu kommen, wo noch auf dem Weg ins Bad sämtliche Kleidungsstücke nach und nach abgelegt werden. Kaum sitzt das Kind auf dem Töpfchen, kehrt Ruhe ein. Eine gefährliche Stille, könnte man meinen. Da stehen wir noch in voller Montur, fangen an zu schwitzen, warten darauf, dass endlich etwas kommt, nachdem das Kind so gedrängt hat. Doch was dann kommt, ist nicht etwa Pipi und auch kein Stinker, sondern ein weiterer Satz, der uns ein kleines bisschen in den Wahnsinn treibt: „Ich muss doch nicht mehr.“
Die Ruhe in mir
Toll, und dafür haben wir Mamas und Papas mit unseren Nerven bezahlt. „Also schön. Komm, wir ziehen dir etwas Bequemes an.“ Und während ich Pulli, Socken und Jeans in eine gemütliche Jogginghose und Hausschuhe eintausche, weiss ich, dass ich mich mal wieder unnötigerweise habe verrückt machen lassen, denn ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass wir nur etwas über eine Stunde lang unterwegs gewesen waren. Und obwohl ich mir schwöre, beim nächsten drängenden „Ich muss mal“ mehr Ruhe zu bewahren, weiss ich, dass ich wieder in Hektik verfalle. Aber ich schätze, das ist das Los der Eltern.
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